Fraunhofer will ersten deutschen Quantencomputer bauen

Bis vor kurzem schien Quanten-Computing lediglich graue Theorie zu sein. Von ein paar engagierten Playern wie beispielsweise IBM abgesehen, schien sich am Markt nicht viel zu tun. Ein Durchbruch zur industriellen Relevanz wurde erst in 20 bis 30 Jahren erwartet.



Quantum-Computing wird flügge



Doch mittlerweile kommt Bewegung in die Quanten-Szene und der Einsatz von Quantencomputern auf breiter Front könnte schneller erfolgen als von vielen gedacht. So geht, wie berichtet, eine Studie davon aus, dass bereits in fünf Jahren das Stadium der Quanten-Supremacy erreicht sein könnte – sprich Quantencomputer klassischen Computern überlegen sind. Und T-Systems hat bereits eine eigene Quantenstrategie mit entsprechenden Services für die Anwender vorgestellt.



Selbst dedizierte Quanten-Rechenzentren sind keine Zukunftsmusik, wie das deutsch-finnische Startup IQM Quantum Computers mit seinem Data Center für Quantum-Computing in München belegt. In diesen Kanon reiht sich nun die jüngste Ankündigung von Fraunhofer ein: Den ersten deutschen Quantencomputer im Rahmen des Projekts QSolid zu bauen.



Projekt QSolid



Diese Aufgabe will Fraunhofer IPMS gemeinsam mit 24 deutschen Forschungseinrichtungen und Unternehmen und unter Koordination des Forschungszentrums Jülich bewältigen. Dabei soll ein vollständiger, deutscher Quantencomputer basierend auf supraleitenden Quantenchips und mit verringerten Fehlerraten entstehen.



Ziel der Partner ist es, ein System mit verschiedenen Quantenprozessoren zu entwickeln, das auf supraleitenden Schaltkreisen der nächsten Generation basiert und eine sehr geringe Fehlerrate aufweist. Damit will man eine der größten Herausforderungen in der Quantencomputer-Entwicklung meistern: Die Fehleranfälligkeit der Quantenbits.



Interessant an dem Projekt ist zudem, dass die Forscher die komplexen Verkabelungen und Leitungen im Quantencomputer verringern wollen. Hierzu wird an der Co-Integration einer CMOS-Kontrolllogik zusammen mit der Quantum-Processing-Unit (QPU) gearbeitet. Eine darauf basierende erste Generation Interposer wurde bereits hergestellt und bei kryogenen Bedingungen erfolgreich getestet.



Erster Prototyp mit zehn Qubits



Als erster Meilenstein der Zusammenarbeit wird am Forschungszentrum Jülich in Kürze ein erster Prototyp des QSolid-Halbzeit-Demonstrators in Betrieb gehen. Er wird zehn Qubits haben, über einen integrierten Softwarestack verfügen und Anwendern den Zugriff über die Cloud ermöglichen.


Realisierter erster Demonstrator des Interposers im Kryogenen Testaufbau. Fraunhofer IPMS



Bis zum Projektende im Dezember 2026 planen die Partner, das System so weiterzuentwickeln, dass es bestenfalls 30 Qubits bei größtmöglicher Fehlerkorrektur kontrollieren kann. Gemeinsam wollen die Projektpartner zudem den Weg zur Kommerzialisierung ebnen und einen Demonstrator entwickeln, der externen Nutzern über die „Jülich UNified Infrastructure for Quantum computing“ (JUNIQ) zugänglich gemacht und auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden soll.



Machen nationale Alleingänge Sinn?



Bei aller Hochachtung und Begeisterung für das Ziel, einen unabhängigen, in Deutschland hergestellten Quantencomputer zu realisieren, muss aber auch die Frage erlaubt sein: Machen nationale Alleingänge im Wettlauf mit Staaten wie den USA und China um diese Zukunftstechnologie überhaupt Sinn? Wäre es nicht zielführender, die europäischen Ressourcen zu bündeln, um im globalen Wettbewerb in der ersten Reihe mitzuspielen?



Nicht umsonst fordert deshalb IQM Co-CEO und Co-Founder Jan Goetz seit längerem ein “Airbus-Momentum” für die europäische Quantenindustrie, um die Innovationskraft und das Potenzial der europäischen Player in einer schlagkräftigen Company zu bündeln.